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Die erste Digital-Pille, die den Patienten überwacht

In den USA wird erstmals eine Tablette mit Mikrochip zugelassen, welche überwacht, ob der Patient das Medikament einnimmt. Ein interessante Technologie, die aber auch ein gewisses Unbehagen weckt. Therapietreue lässt sich aber  auch mit persönlicher Betreuung verbessern.

Bildquelle: Proteus Digital Health
Bildquelle: Proteus Digital Health

Tablette mit Digitalsensor

Das Medikament heisst Abilify Mycite. Abilify ist an und für sich bereits zur Behandlung von Schizo-phrenie und bipolarer Störungen zugelassen. Die Herstellerfirma hat  in Abilify Mycite jedoch einen neuen Kniff eingebaut.

 

In jeder Tablette befindet sich ein winziger  Mikrochip. Wenn die Tablette geschluckt  wird und sich in der Magensäure auflöst, sendet der Chip ein Signal an einen Patch, den der Patient ständig  trägt. Der Patch sendet ein Signal an eine Smartphone-App, auf welcher der Patient seine Therapietreue überprüfen kann.

 

Ausserdem kann er die Information mit Betreuungspersonen wie dem Arzt, Apotheker, Kranken-pfleger oder Angehörigen teilen, welche die Information dann abrufen können. Damit können sie kontrollieren, ob das abgegebene Medikament auch wirklich eingenommen wird.

 

Die Verheissung dieser Digital-Pille besteht also darin, dass die Therapie besser überwacht werden kann. Noch ist aber nicht ganz klar, welche Daten neben dem Schlucken selbst  übermittelt  werden können.

Nicht eingenommene Medikamente sind ein Problem

Es ist ein sehr bedeutendes medizinisches Problem, dass Medikamente falsch oder unregelmässig eingenommen werden. Der finanzielle Schaden wird weltweit auf 500 Milliarden Franken beziffert, in der Schweiz beträgt liegt dieser Schaden ebenfalls im Bereich der Milliarden.

 

Denn neben dem Medikament, das ungebraucht im Abfall landet, verschlimmert sicher der gesund-heitliche Zustand des Patienten, sodass teure Folgebehandlungen nötig werden und Komplikationen entstehen.

 

Es ist  daher eine grosse Herausforderung an medizinische Fachpersonen, dafür zu sorgen, dass nicht nur eine gute Therapie verordnet wird, sondern diese auch eingehalten wird. Denn gerade bei Krank-heiten wie Schizophrenie kann es besonders schwierig werden, dass der Patient die Medikamente freiwillig nimmmt.

Betreuung statt  Überwachung

Es gibt verschiedene Gründe, warum Patienten ihre Medikamente nicht nehmen: Sie sind sich der Tragweite ihrer Krankheit nicht bewusst,  haben Angst vor Nebenwirkungen oder vergessen die Einnahme unabsichtlich.

 

Es darf daher hinterfragt werden, ob Überwachung wirklich die Motivation einer Patientin erhöht, sich an die Therapie zu halten. Denn bekannt ist, dass ein gutes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Fachperson ein wichtiger Faktor ist, damit eine Therapie eingehalten wird.

 

Regelmässige Gespräche, der persönliche Kontakt und Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse des Patienten dürften ebenso viel, wenn nicht mehr bringen, um die Therapietreue zu verbessern. Überwachungsmassnahmen sollten erst zum Einsatz kommen, wenn normale Betreuung nicht funktioniert.

Patienten ermutigen statt bevormunden

Eine Therapie mit Medikamenten besteht aus mehreren Schritten: Diagnose, Verordnung, Abgabe, Überprüfung der Therapie und fortdauernde Abgabe. Bei jedem Schritt sollten Patienten miteinbezogenn und begleitet werden.

 

Die Apotheke bietet Patienten  eine Zweitmeinung an und kann zusätzliche Informationen geben. Sie bietet Hand bei Problemen mit Nebenwirkungen und kann mit dem verschreibenden Arzt Probleme besprechen. Wenn verschiedene Medikamente verschrieben und dauerhaft eingenommen werden müssen, unterstützt sie den Patienten bei der Orientierung und der regelmässigen Einnnahme.

 

Solche Betreuungsleistungen verursachen zwar Kosten  - doch die Folgen von schlecht ge- handhabten Therapien sind ein Vielfaches teurer. Bei der neuartigen Digital-Pille ist der Preis zudem noch nicht bekannt - es kann gut sein, dass sie gerade so teuer kommt wie die persönliche Betreuung einer Fachperson.

 

Sinnvoll kann ein solches System hingegen sein, wenn der Patient dafür zu Hause statt in einer Klinik behandelt werden kann. Denn hier sind effektiv Kosteneinsparungen möglich und der Patient kann dem Arzt gegenüber seine Zuverlässigkeit erproben, die Medikamente regelmässig zu nehmen, wenn andere Versuche (zum Beispiel mit Wochendosierer in der Apotheke) nicht ausreichend waren.

Autor:

Florian Sarkar, eidg. dipl. Apotheker

 

Quellen:

Medienmitteilung der amerikanischen Arzneimittelbehörde FDA

 

Kerse N. et al: Physician-Patient Relationship and Medication Compliance: A Primary Care Intervention. Ann Fam Med. 2004 Sep; 2(5): 455–461.