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Resistenzen gegen Antibiotika, Teil 3: Resistenzbildung

Bakterielle Infektionen können wir heute erfolgreich mit Antibiotika behandeln. Doch immer öfter wirken diese wertvollen Medikamente nicht mehr. Jährlich sterben in der Schweiz rund 300 Menschen an multiresistenten Infektionen. Wie das passiert und wie dies uns alle betrifft, zeigen wir in dieser Artikelserie.

Bild: Shutterstock
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Resistenz in der Natur angelegt

Viele der Antibiotika, die in der Medizin eingesetzt weren, stammen von einem natürlichen Vorbild. Das beste Beispiel ist Penicillin, das vom Schimmelpilz produziert wird. Bakterien und Pilze produzieren diese Stoffe in kleinen Mengen, um sich einen Überlebensvorteil gegen andere Mikroben zu verschaffen.

 

Doch auch diese reagieren im Verlauf der Jahrtausende auf diese Taktik und entwickeln Resistenzmechanismen. Zum Beispiel bauen sie in ihrer Zelle Mechanismen ein, mit denen sie Antibiotika einfach abbauen. Oder sie produzieren Pumpen, die diese Wirkstoffe aus ihrem Organismus befördern.

 

Dadurch können auch diese Mikroben trotz Antibiotika überleben. Allerdings waren Resistenzen nicht so häufig. Nicht jedes Bakterium hatte Resistenzmechanismen. Denn Gifte, die von den "Mitbewerbern" produziert werden, sind nur einer von zahlreichen Überlebensfaktoren.

Resistenz wird zum Schlüssel fürs Überleben

Entstehung von Antibiotikaresistenzen Bildquelle: www.121doc.de
Entstehung von Antibiotikaresistenzen Bildquelle: www.121doc.de

Der Einsatz der Antibiotika durch den Menschen änderte dies jedoch. Während diese Stoffe nur in Nanogramm-Mengen in der Natur produziert wurde, stellte der Mensch sie nun im Maßstab von Tonnen her.

 

Alexander Flemming, der Entdecker des Penicillins, sah diese Entwicklung bereits sehr früh kommen: "Es besteht die Gefahr, dass die Mikroben lernen, resistent gegen Penicillin zu werden. Und wenn die Mikrobe einmal resistent ist, bleibt sie auch für lange Zeit resistent."

 

Begeistert von der phänomenalen Wirkung der Antibiotika, wurden medizinische Fachpersonen auch immer sorgloser in der Verschreibung. Bald wurden Antibiotika für jeden Schnupfen und jedes Halsweh verschrieben. Und auch in der Landwirtschaft wurden Antibiotika tonnenweise eingesetzt, um das Wachstum von Masttieren zu fördern oder Krankheiten grosszügig zu bekämpfen.

 

Wenn Antibiotika eingesetzt werden, sterben aber nicht 100% der Bakterien ab, sondern es bleiben immer einige übrig. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gross, dass diese dank einer Resistenz überlebt haben. Wenn diese sich als "letzte ihrer Art" wieder vermehren, ist die Anzahl Bakterien, die resistent sind, deutlich grösser.

 

Wiederholt sich der Einsatz von Antibiotika, so steigt der Anteil von Bakterien, die Resistenzen gegen dieses Medikament besitzen. Plötzlich passiert es, dass es beim nächsten Einsatz nicht mehr wirkt. Alexander Fleming, der Entdecker des Penicillins, sagte schon früh voraus, dass dies geschehen könnte.

Hemmhof-Test: Verschiedene mit Antibiotika getränkte Schwämmchen werden in eine Kulturschale mit Bakterien gesetzt. b und e stören die Bakterien überhaupt nicht, a und d wirken schwach und c zeigt eine ausgeprägte Wirkung. Bild: www.texbac.de
Hemmhof-Test: Verschiedene mit Antibiotika getränkte Schwämmchen werden in eine Kulturschale mit Bakterien gesetzt. b und e stören die Bakterien überhaupt nicht, a und d wirken schwach und c zeigt eine ausgeprägte Wirkung. Bild: www.texbac.de

Resistenzen werden auch weitergegeben

Solange ein Bakterium nur gegen ein einziges Medikament resistent ist, kann der Infekt noch immer mit einem alternativen Mittel behandelt werden. Schwieriger wird es jedoch, wenn mehrere Resistenzen vorhanden sind.

 

Dies ist möglich, weil Bakterien auch untereinander Resistenzen weitergeben können. Die Information, mit denen ein Bakterium seine "Resistenzmaschinen" baut, sind auf kleinen Genfragmenten gespeichert, die auch vermehrfacht und durch Kontakt an ein anderes Bakterium weitergegeben werden können.

 

Ausserdem sind Bakterien sehr dynamisch: Bei der Vermehrung gibt es immer wieder Kopierfehler im Erbgut, sodass die Erbinformation verändert wird. Wenn man daran denkt, dass Bakterien sich alle 20 Minuten Teilen können, dann kann sich die Erbinformation in einem Bakterienstamm innert Tagen oder Wochen schnell verändern.

Brutstätte Industrieabwasser

Ironischerweise trägt auch die Antibiotika-Produktion selbst zur Resistenzbildung bei. Wegen des Zwangs, Medikamente immer billiger herzustellen, wird auch die Produktion von Antibiotika in Tieflohnländer wie Indien verlagert. Zwar werden dort die gleichen Standards in der Produktion gefordert und geprüft - nicht so aber die Umweltvorschriften.

 

Die Abwässer von Antibiotikafabriken enthalten grosse Mengen Antibiotika. Indem die Bakterien in Flüssen und Seen ständig mit Antibiotika zu tun haben, entwickeln sich auch entsprechende Resistenzen. Sowohl Einheimische als auch Touristen können resistente Keime in sich aufnehmen. Diese führen nicht zwingend zu einer Erkrankung, aber die Besiedelung des Darms kann zu einem späteren Zeitpunkt eine Problem werden - zum Beispiel, wenn sich diese Keime nach einer Antibiotikabehandlung vermehren. 

Resistente Keime sind auch ansteckend

Ein Infekt mit resistenten Bakterien betrifft nicht nur eine einzelne Person. Denn sie kann auch andere Menschen mit diesem Erreger anstecken.

 

Am gefährlichsten ist dies an Orten, wo viele kranke Menschen untergebracht sind, zum Beispiel in Spitälern und Altersheimen. Darum ist die Händedesinfektion so wichtig, damit Ärzte und Pflegepersonal nicht Keime von einem Patienten an den anderen weitergeben.

 

Zudem kann mangelhafte Wasseraufbereitung dazu führen, dass Antibiotika im Abwasse landen. Dies ist zum Beispiel in Indien ein bekanntes Problem: Das Abwasser von Generika-Fabriken, die Antibiotika herstellen, wird nicht gefiltert, sodass das Abwasser zur Brutstätte für resistente Bakterien wird.

Wenn kein einziges Mittel mehr wirkt

Immer häufiger sind Ärzte mit Patienten konfrontiert, bei denen kein Antibiotikum mehr wirkt. Ein solcher Fall betraf eine 70-jährige Frau in den USA, bei der sämtliche zugelassenen Antibiotika nicht mehr anschlugen, sodass sie an einer Blutvergiftung starb.

 

Solche Fälle treten momentan zwar nur vereinzelt auf, sie sind jedoch ein klares Warnsignal. Einige Experten fürchten eine sogenannte post-antibiotische Ära, in der wir bakteriellen Infektionen wieder genau so ausgesetzt sein werden wie vor über 100 Jahren.

 

Ein solches Horror-Szenario kann jedoch abgewendet werden, wenn alle etwas dagegen tun. Wie die Möglichkeiten genau aussehen, erfahren Sie in Teil 4.

Autor:

 Florian Sarkar, eidg. dipl. Apotheker

 

Quellen:

 

Wright GD (October 2010). "Antibiotic resistance in the environment: a link to the clinic?". Current Opinion in Microbiology. 13 (5): 589–94.

 

Amábile-Cuevas CF, editor. Antimicrobial resistance in bacteria. Horizon Scientific Press; 2007

 

Patientin verstirbt mit Resistenz gegen 26 Antibiotika

 

Inken Rutz. Antibiotika-Resistenten: Bereits Fleming warnte. Deutsche Apotheker Zeitung, 15.9.2018

 

https://www.srf.ch/sendungen/dok/der-unsichtbare-feind-multiresistente-keime-auf-dem-vormarsch (Video verfügbar bis 30. November 2018)

 

Letzte Aktualisierung: 20.11.2019