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Das "lange Covid-19"

Covid-19 ist kann für alte und erkrankte Personen gefährlich werden, junge Personen hingegen haben nichts zu befürchten. So oder ähnlich wird die Gefährlichkeit des aktuell grassierenden Coronavirus beschrieben. Es gibt jedoch zunehmend Beweise dafür, dass auch mild verlaufende Infektionen schwerwiegende Spätfolgen haben können. Aus diesem Grund ist es auch für jüngere Bevölkerungsschichten ratsam, eine Infektion so gut wie möglich zu verhindern.

Bild: Adobe Stock
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Im Schatten der Intensivstationen

Im Zentrum der Aufmerksamkeit sind die lebensgefährlich an Covid-19 Erkrankten, die in Spitälern auf Intensivstationen behandelt und künstlich beatmet werden müssen. Diese Patienten sind eine kleine Minderheit, während die Infektion in den meisten Fällen mild oder ganz ohne Symptome verläuft.

 

Jedoch gab es bereits im Frühling 2020 Hinweise auf ungewöhnliche Spätfolgen von Erkrankungen, die als unkompliziert galten. So berichtete der österreichische Arzt Frank Hartig im April von sechs Sporttauchern, bei denen bei der Nachuntersuchung nach eigentlich leichter Covid-19-Erkrankung schwere Lungenschäden festgestellt wurden. Sie waren nicht mehr in der Lage, ihren Sport auszuüben. Einige von ihnen litten sogar bei geringen Belastungen an Atemnot.

Schwere Folgen auch Monate später

Immer mehr kleine Studien unter Patienten, die eine Covid-19-Erkrankung durchgemacht haben, brachten bleibende Beschwerden ans Licht, die auch Wochen oder Monate nach der eigentlichen Genesung anhielten. Am häufigsten genannt werden:

  • Bleierne Müdigkeit (Fatigue)
  • Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme
  • Atemnot oder schnelles ausser Atem kommen bei leichter Aktivität
  • Kopf- und Gliederschmerzen

Bei etwa der Hälfte der Patienten, die diese Beschwerden beschreiben, sind die Lebensqualität und Arbeitsfähigket deutlich eingeschränkt. Je nach Studie sind zwischen 10 und 90% von solchen Nachwirkungen betroffen. Bei 10-20% dauern diese länger als einen Monat an, es gibt bekannte Fällen, die schon ein halbes Jahr daran leiden. Dies betrifft nicht nur Patienten, die im Spital behandelt wurden, sondern auch solche, welche nur eine milde Erkrankung hatten. 

Beschwerden rätselhaft

Während bei Krankheiten wie Grippe oder Lungenentzündung bekannt ist, dass nach der eigentlichen Erkrankung eine mehrwöchige, stetige Erholung (Rekonvaleszenz) stattfindet, bis die Patienten sich wieder vollständig erholen, scheinen die Beschwerden nach Covid-19 unberechenbar.

 

Über die Gründe gibt es derzeit verschiedene Vermutungen. Es ist inzwischen bekannt, dass Covid-19 nicht nur die Atemwege, sondern auch andere Organe befällt. Zudem treten bei der Infektion auch kleinste Blutgerinnsel auf, welche Schäden verursachen können. Diese können entweder nach schwacher Erkrankung bleiben oder erst später bemerkt werden. Daher wird von einem "Covid Langzeitsyndrom" gesprochen.

Wahrscheinlich kann ein Teil der Beschwerden auch als Folge der Behandlung auf der Intensivstation gesehen werden, da diese an und für sich eine traumatische Erfahrung sein kann.

 

Das Erkrankungsbild wird auch als generelles Syndrom nach einer Viruserkrankung angesehen. Da die Ursachen des chronischen Erschöpfungssyndroms (Chronic Fatige Syndrome) schlecht erforscht sind, wird es unter anderem als Folge einer viralen Erkrankung vermutet. So sind vom Epstein-Barr-Virus, welches das Pfeiffersche Drüsenfieber verursacht, schwere Erschöpfungszustände bekannt, welche bis zu einem Jahr anhalten können oder später erneut auftreten können. 

Fazit

Covid-19 kann nicht nur in seltenen Fällen eine lebensgefährliche Lungenkrankheit verursachen, sondern führt recht häufig zu Folgeschäden, die die Lebensqualität stark beeinträchtigen. Davon können auch Patienten betroffen sein, deren Infektion kaum bemerkbar oder wie eine normale Erkältung verläuft.

 

Die Ausbreitung der Infektion zu stoppen, dient also nicht nur dem Schutz einiger Risikopatienten, sondern auch dem Eigenschutz der gesunden Bevölkerung. Dies ist umso wichtiger, als die Spätfolgen noch wenig verstanden werden und es entsprechend keine zielgerichteten Behandlungen dagegen gibt.

 

Patienten, die solche Langzeitfolgen verspüren, sollten sich unbedingt bei ihrem Hausarzt melden.


Autor:

Florian Sarkar, Fachapotheker in Offizinpharmazie

 

Quellen:

Covid-19: Irreversible Lungenschäden möglich APOTHEKE ADHOC/dpa, 21.04.2020

https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/covid-19-irreversible-lungenschaeden-moeglich-spaetfolgen-von-sars-cov-2/?tx_aponews_newsdetail%5B%40widget_4%5D%5BcurrentPage%5D=3&tx_aponews_newsdetail%5B%40widget_4%5D%5BitemsPerPage%5D=1&cHash=a0d8e9206483e17e24e39ee4ab72fc86

 

Rita Rubin: As Their Numbers Grow, COVID-19 “Long Haulers” Stump Experts. JAMA. 2020;324(14):1381-1383. doi:10.1001/jama.2020.17709

 

Elisabeth Mahase: Long covid could be four different syndromes, review suggests. BMJ 2020; 371 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.m3981 (Published 14 October 2020)

 

9 Out Of 10 People With Covid-19 May Suffer Lingering After-Effects, Says Preliminary Study

 

https://www.iflscience.com/health-and-medicine/9-out-of-10-people-with-covid19-may-suffer-lingering-aftereffects-says-preliminary-study/

 

Eriksson O: Mannose-Binding Lectin is Associated with Thrombosis and Coagulopathy in Critically Ill COVID-19 Patients. DOI: 10.1055/s-0040-1715835

 

Braun F. et al: SARS-CoV-2 renal tropism associates with acute kidney injury. The Lancet Volume 396, ISSUE 10251, P597-598, August 29, 2020.