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Warum sind Benocten und Sanalepsi nicht mehr rezeptfrei?

Durch das neue Heilmittelgesetz sind viele Medikamente neu auch in Drogerien erhältlich, die es bisher nur in Apotheken gab. In einigen Ausnahmefällen wurde die Einteilung jedoch verschärft, sodass sie nicht mehr frei erhältlich sind. Dazu gehören auch die Schlafmittel Benocten und Sanalepsi.

Altbekannte Wirkstoffe

Diphenhydramin (Benocten, Detensor) und Doxylamin (Sanalepsi N) sind sehr alte Wirkstoffe. Sie gehören zu den sogenannten Antihistaminika, die heutzutage vor allem gegen allergische Reaktionen und Juckreiz eingesetzt werden. Diese beiden Stoffe haben aber vor allem eine schlaffördernde Wirkung und waren seit Jahrzehnten als rezeptfreie Medikamente erhältlich. Teils kommen sie auch in Kombinationsmittel gegen Erklältung vor (z.B. Vicks Medinait).

 

Im Gegensatz zu anderen Schlafmitteln aus der Gruppe der Benzodiazepine machen sie nicht abhängig. Trotzdem wird davon abgeraten, Benocten oder Sanalepsi länger als drei Wochen einzunehmen. Man kann feststellen, dass die Einnahme dieser beiden Wirkstoffe die Schlafmuster verändern, die Folge davon für die Gesundheit sind unklar. Ausserdem kann die Wirkung bereits nach einigen Tagen nachlassen, sodass einige Patienten auf eigene Faust die Dosis erhöhen.

 

Benocten und Sanalepsi können weiterhin in der Apotheke bezogen werden, die Abgabe muss jedoch im persönlichen Dossier verzeichnet und mit dem Apotheker besprochen werden. Dies ist möglich, weil Apotheker mit dem neuen Heilmittelgesetz auch erweiterte Kompetenzen bei rezeptpflichtigen Medikamenten haben. Dass man bei diesen Medikamenten genauer hinschaut, macht durchaus Sinn.

Knackpunkt Nebenwirkungen

Beide Medikamente können Trockenheit der Nase oder Mundschleimhaut begünstigen. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Verstopfung, Probleme beim Anpassen der Sehschärfe und Schwierigkeiten bei der Blasenentleerung. Selten (ca. einer von 1000 Anwendern) möglich ist auch eine Beeinflussung des Blutdrucks nach oben oder unten sowie Rhythmusstörugen des Herzens.

 

Ausserdem kann die schlaffördernde Wirkung bis in die Morgenstunden reichen, wobei Doxylamin länger im Körper bleibt als Diphenhydramin. Die Fahrtüchtigkeit kann also am nächsten morgen stark eingeschränkt sein, was im Pendelverkehr zur ernsthaften Gefahr werden kann. Zudem kann es bei nächtlichem Aufstehen vermehrt zu Schwindel oder Stürzen kommen. 

 

Auch können schlaffördernde Antihistaminika mehrere Krankheitsbilder verschlimmern, darunter Epilepsie, Asthma, grüner Star und Prostatabeschwerden. Patienten mit diesen Grunderkrankungen dürfen solche Mittel daher nicht einnehmen.

Knackpunkt Interaktionen

Die ermüdende Wirkung von Diphenhydramin und Doxylamin kann sich mit zahlreichen anderen Medikamenten verstärken, nicht zuletzt auch mit Genussmitteln wie Alkohol. Dies erhöht das Risiko für Unfälle und Stürze zusätzlich.

 

Ausserdem sind schwere Vorkommnisse bei der Kombination mit sogenannten MAO-Hemmern möglich, die gegen Depression und Parkinson eingesetzt werden.

Nicht geeignet für Senioren

Menschen ab 65 Jahren reagieren bedeutend empfindlicher auf Medikamente, sodass sie häufiger Nebenwirkungen erleiden. Dies trifft auch auf Benocten und Sanalepsi zu. Sie reagieren nicht nur vermehrt mit Schwindel und Gangunsicherheit, sondern es kommt auch häufiger zu Gedächtnisproblemen und Verwirrtheit. Auch Hangover, das heisst Müdigkeit und Benommenheit am Morgen, tritt vermehrt auf. Im schlimmsten Fall kann ein sogenanntes Delir auftreten, ein Zustand starker Verwirrung und Orientierungslosigkeit, welcher eine Behandlung im Spital erfordert. Ein Delir kann nachhaltigen Schaden im Gehirn verursachen.

 

Die beiden Schlafmedikamente sind darum auf der sogenannten Beers-Liste aufgeführt. Dort stehen Medikamente, die bei Senioren mehr Nebenwirkungen auslösen. Ihr Einsatz soll folglich sehr streng abgewogen oder ganz vermieden werden. Sie erhöhen das Risiko von Spitalaufenthalten aufgrund von Nebenwirkungen.

 

Aus diesem Grund sollten sich gerade Senioren, die diese Medikamente nehmen, die Einnahme unbedingt überdenken. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass der Schlaf im Alter sich verändert. Acht Stunden am Stück zu schlafen, entspricht nicht zwingend dem natürlichen Schlafrhythmus. Es gibt verschiedene Alternativen, um besser zu schlafen, zum Beispiel Entspannungsmethoden oder pflanzliche Arzneimittel.

Fazit

Diphenhydramin und Doxylamin waren für Jahrzehnte als rezeptfreie Schlafmittel für den gelegentlichen Gebrauch etabliert. Aufgrund der erweiterten Abgabekompetenzen für Drogerien hat Swissmedic entschieden, dass sie nun nur noch durch persönliche Abgabe durch den Apotheker oder Verschreibung beim Arzt erhältlich sein sollen.

 

Dies ist gemessen am Nebenwirkungsprofil der beiden Wirkstoffe gerechtfertigt. Da in der Apotheke auch die Abgabe anderer Medikamente im Patientendossier erfasst wird, kann die Sicherheit besser gewährleistet werden. Die persönliche Abgabe durch den Apotheker und Dokumentation im persönlichen Dossier erhöht zwar den Aufwand ein wenig, verbessert unter dem Strich aber die Patientensicherheit.

 

Bei Schlafstörungen empfehlen wir grundsätzlich auch, mit nicht-medikamentösen Ansätzen zu arbeiten, welche eine sehr gute Wirksamkeit zeigen und gleichzeitig nebenwirkungsfrei funktionieren. Hierzu bieten wir extra eine strukturierte Schlafberatung an.

Autor:

Florian Sarkar, Fachapotheker in Offizinpharmazie

 

Quellen:

www.compendium.ch, Fachinformation für Benocten und Sanalepsi

 

2019 Updated AGS Beers Criteria. Journal of the American Geriatrics Society 00:1-21, 2019

https://qioprogram.org/sites/default/files/2019BeersCriteria_JAGS.pdf

 

DAZ 2016, Nr. 44, S. 46, 03.11.2016