· 

Sparen am Preis trifft als erstes die Kleinen

Medikamente kosten heute 40% weniger als vor 20 Jahren. Trotzdem haben sich die Gesundheitskosten seither verdoppelt. Die neusten Sparvorschläge im Gesundheitswesen setzen erneut bei den Medikamentenpreisen und -margen an. Doch die Leidtragenden werden vor allem die kleinen Anbieter auf dem Land sein. 

Ein tiefer Preis verlangt nach hoher Masse

Es gibt sehr grosse Firmen, die berühmt für ihre tiefen Preise sind: Aldi, Lidl oder Ikea zum Beispiel. Ihr Konzept ist sehr einfach: Wenn der Preis sehr tief ist, dann kauft der Konsument eher einmal zu viel als zu wenig und kommt am Schluss mit mehr Waren aus dem Laden, als er ursprünglich kaufen wollte - auch wenn der das vielleicht gar nicht merkt. 

 

Im Gesundheitswesen ist es ganz ähnlich. Seit dem Jahr 2000 wurden die Medikamentenpreise in mehreren Schritten gesenkt. Zwei Drittel der schweizweit abgegebenen Medikamente kosten weniger als 50 Franken, darunter zahlreiche Dreimonatspackungen. 

 

Auch im Gesundheitswesen gibt es Möglichkeiten, die Menge zu steuern. Denn die Hälfte der Medikamente wird direkt über Spitäler und Arztpraxen abgegeben, welche diese praktischerweise auch selbst verordnen können. Für sie ist es also möglich, einen tieferen Preis mit einer höheren Menge auszugleichen. Diese Reaktion bezeichnet man als "Substitution Response" ("Ersetzungsantwort").

Viele Medikamente sind billiger als ein Kaffee. Den meisten Menschen ist dies nicht bewusst, denn in den Medien wird nur über die teuren Medikamente gesprochen.
Viele Medikamente sind billiger als ein Kaffee. Den meisten Menschen ist dies nicht bewusst, denn in den Medien wird nur über die teuren Medikamente gesprochen.

Wo die Masse zählt, überleben nur die Grossen

Je tiefer das Preisniveau, umso wichtiger ist ein hoher Umsatz, um die Existenz sichern zu können. In der Schweiz erzielt man hohen Umsatz an gut besuchten Orten in den Städten. In Dörfern und Quartieren hingegen wird dies umso schwieriger. Schon jetzt schliessen in der Schweiz Apotheken in Land- und Quartierlagen, während in stark frequentierten Zentren neue eröffnet werden. 

 

Für die Versorgungslage ist das katastrophal. Dass ländliche Gebiete an Unterversorgung leiden, während in den Städten ein Überangebot herrscht, hat unter anderem (aber nicht nur) mit dem Mengenanreiz zu tun. Mit zunehmendem Druck auf die Medikamentenpreise wird dieser Anreiz verschärft.  

Versorgungsangebot der Apotheken wird noch immer nicht erkannt

Es bleibt ein grosses Problem, dass Apotheken von Krankenkassen und Politik nur als Abgabestellen für Medikamente angesehen werden. Dass auch Leistungen zur Erstversogung, Prävention und Impfen angeboten werden, die noch dazu billiger sind als beim Arzt, wird häufig nicht wahrgenommen.

 

Solange dies so ist, sind Apotheken auf den Ertrag aus Medikamenten angewiesen. Die Sparmassnahmen der letzten sieben Jahre haben den Ertrag der Apotheken schweizweit bereits um mehr als 100 Millionen Franken pro Jahr reduziert. Ein Viertel der Apotheken sind heute schon existentiell bedroht. 

Am teuersten ist das Medikament, das nicht eingenommen wird

Zurückgebrachte Medikamente. Die ungebrauchten Packungen hatten in diesem Fall einen Wert von über 1000 Franken. Verschiedene Ärzte haben laufend Medikamente mitgegeben, ohne dass diese eingenommen wuden.
Zurückgebrachte Medikamente. Die ungebrauchten Packungen hatten in diesem Fall einen Wert von über 1000 Franken. Verschiedene Ärzte haben laufend Medikamente mitgegeben, ohne dass diese eingenommen wuden.

Wir wissen heute, dass pro Jahr etwa 500 Millionen Franken ungebrauchter Medikamente im Abfall landen, weil sie von Patienten nicht eingenommen werden. Die medizinischen Folgekosten, weil nicht eingenommene Medikamente nicht wirken, betragen pro Jahr bis zu 30 Milliarden Franken. 

 

Der Fokus der Gesundheitspolitik muss folglich auf der gezielten Anwendung des Medikaments liegen. Patienten müssen anständig informiert werden, weshalb sie Medikamente erhalten, was für eine Wirkung sie davon erwarten können und was bei Nebenwirkungen zu tun ist. Dies erfordert eine langzeitige Begleitung, denn Menschen und ihre Krankheiten verändern sich mit der Zeit fortlaufend.

 

Für diese Leistung braucht es Apotheken. Denn Apothekerinnen und Pharma-Assistentinnen wissen von allen Fachpersonen am besten über das Heilmittel Bescheid. Sie können Patienten am besten informieren und begleiten. Dass Patienten Medikamente erhalten, ohne dass sie jemals einen Apotheker zu Gesicht kriegen, ist weltweit in Sonderfall. Hier gilt es anzusetzen. 

Preisvergleiche zum Ausland kaum sinnvoll

Die Forderungen nach tieferen Preisen stammen von den Preisunterschieden zum Ausland. Interessant ist jedoch, dass solche Vergleiche nur bei den Medikmenten angestellt werden, nicht aber bei Tarifen oder Löhnen - denn bei diesen ist klar, dass sie von der nationalen Volkswirtschaft abhängen. Entsprechend bezweifeln auch Ökonomen, dass diese Preisvergleiche wenig Sinn machen.