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Fast gleich, aber nicht ganz - Generika

Generika fallen immer wieder als Begriff zum Thema Gesundheitskosten. Es handelt sich um Nachahmermedikamente für Präparate, die schon seit einiger Zeit auf dem Markt sind. Aber was macht Generika genau aus? Wann sind sie unproblematisch, wann nicht? Eine (hoffentlich) verständliche Erklärung.

Quelle: https://www.medihelp.co.za
Quelle: https://www.medihelp.co.za

Aufbau eines Medikaments

Patienten erkennen "ihr" Medikament meist am Aussehen der Tablette und der Verpackung. Sobald daran etwas anders ist, nehmen sie es als ein anderes Produkt mit anderer Wirkung wahr.

 

Am wichtigsten für die Wirkung ist aber das Innenleben der Tablette. Das Herzstück eines Medikaments ist der Wirkstoff, welcher in den Körper aufgenommen wird und dort seine Heilwirkung entfaltet. Jedoch ist es aus diversen Gründen schlecht möglich, den Wirkstoff pur als Pülverchen zu verabreichen. Also muss man den Wirkstoff verpacken, damit er besser verabreicht werden kann.

 

Diese "Verpackung" (Tablette, Tropfen, Creme, Zäpfchen) bezeichnet man als Arzneiform. Im Fall einer Tablette braucht man ein Füllmittel, damit das Material am Schluss zu einer Tablette gepresst werden kann, zum Beispiel Cellulose oder Milchzucker.

 

Die Zusammensetzungen können sehr komplex sein. Zum Beispiel kann die Tablette mit einem Film umhüllt werden, um das Schlucken zu erleichtern oder die Tablette vor Magensäure zu schützen. Mit den Füllstoffen kann man auch dafür sorgen, dass der Wirkstoff langsamer freigesetzt wird, wie zum Beispiel bei sogenannten Retardtabletten. All diese Materialien nennt man "Hilfsstoffe".

 

Exklusive Produktion bis zum Patentablauf

Wenn ein pharmazeutischer Hersteller ein Medikament mit einem neuen Wirkstoff auf den Markt bringt, kann er dieses mit einem Patent schützen. Das heisst, niemand anders darf dieses Medikament produzieren. Der Patentschutz soll die Forschungskosten finanzieren und Gewinn für neue Entwicklungen bringen. Dieser Schutz ist jedoch auf maximal 20 Jahre nach Markteintritt beschränkt.

 

Nach Ablauf des Patents darf das Präparat auch von anderen Herstellern produziert werden. Diese Nachahmer-Medikamente bezeichnet man als Generika (Einzahl Generikum, Mehrzahl Generika von lateinisch generalis=allgemein, gewöhnlich). Sie enthalten den gleichen Wirkstoff in der gleichen Dosis. Da diese Hersteller keine Forschungskosten mehr ausgeben müssen, können sie das Nachahmermedikament günstiger anbieten.

 

Beispiel: Sortis ist der Name eines Cholesterin-Medikaments von der Firma Pfizer. Der Wirkstoff dieses Mittels heisst Atorvastatin. Ab 2012 durften auch andere Firmen dieses Medikament produzieren. Der Einfachheit halber heissen die Präparate einfach "Atorvastatin" mit dem Namen der Firma dahinter.

Bild: Das Originalmedikament Sortis und die Generika von einigen Herstellern. (Quelle: compendium.ch)

Wann ist ein Generikum gleichwertig?

Ein Generikum enthält den identischen Wirkstoff in der gleichen Dosierung wie das Originalmedikament. Dem Gesetz nach gilt ein Generikum als gleichwertig mit dem Originalmedikament.

 

Die Gleichheit der Wirkung muss aber durch Studien erwiesen werden. Der Hersteller muss die sogenannte Bioäquivalenz nachweisen. Was heisst das?

 

Für die Wirkung im Körper sind drei Punkte mitentscheidend:

1. Wie schnell wird der Wirkstoff ins Blut aufgenommen?

2. Wie hoch ist die maximale Menge, die im Blut gemessen werden kann?

3. Wieviel Wirkstoff zirkuliert von der Aufnahme bis zur Ausscheidung total im Körper?

 

Wissenschaftlich wird dies in den folgenden Grössen umschrieben:

 

1. c(max): Die maximale Menge an Wirkstoff, die im Blut nachgewiesen werden kann.

2. t(max): Die Zeit, bis zu welcher die maximale Menge Wirkstoff im Blut vorhanden ist.
3. AUC: Die totale Menge an Wirkstoff, welche von Aufnahme bis Ausscheidung im Körper vorhanden ist (von englisch  Area under the curve=Fläche unter der Kurve).

Messung der Menge Wirkstoff im Blut. Wenn diese Messungen für das Generikum gleich aussehen wie beim Originalmedikament, gilt es als gleichwertig (bioäquivalent). Bild: www.pharmawiki.ch
Messung der Menge Wirkstoff im Blut. Wenn diese Messungen für das Generikum gleich aussehen wie beim Originalmedikament, gilt es als gleichwertig (bioäquivalent). Bild: www.pharmawiki.ch

Um mit dem Original gleichwertig zu sein, darf das Generikum max. 20% nach unten und 25% nach oben von den Werten des Originals abweichen. Nur dann darf ein Generikum vertrieben werden. Ein Vergleich von 1997 zeigte aber, dass die Abweichung vom Original in der Regel weniger als 5% beträgt, also deutlich besser, als gesetzlich gefordert wird.

Was bedeuten Generika für den Patienten?

Für Patienten gibt es eigentlich zwei Situationen, in denen sie Generika erhalten können:

1. . Sie erhalten von Beginn an ein Generikum verschrieben.

2.  Sie nehmen seit einiger Zeit ein Originalmedikament ein und stellen um auf ein Generikum.

 

Fall 1 ist grundsätzlich unproblematisch. Das einzige mögliche Problem ist, dass der Patient einen Hilfsstoff nicht verträgt (z.B. Milchzucker) und daher ein anderes Präparat gesucht werden muss. Bei Problemen mit der Verträglichkeit kann die Dosis einfach verändert werden, wie beim Original auch. Wenn es schon von Beginn an verordnet wird, sind sich viele Patienten gar nicht bewusst, dass es sich dabei um ein Nachahmer-Medikament handelt.

 

Bei Fall 2 kann es komplizierter werden. Es kann aufgrund der oben beschriebenen Unterschiede tatsächlich ein Unterschied in der Wirkung festgestellt werden, beispielsweise machen sich mehr Nebenwirkungen bemerkbar. Ausserdem muss sich der Patient auch an die neuartige Verpackung oder das andere Aussehen gewöhnen. Dies ist jedoch selten ein Problem: Von 100 Patienten, die innert eines Jahres vom Originalmedikament auf ein Generikum wechseln, kehren lediglich 8 zum Original zurück.

 

Ausserdem gibt es Fälle, in denen die Dosierung des Medikaments sehr exakt sein muss und schon kleine Abweichungen ein erhebliches Problem darstellen. Dies ist zum Beispiel bei Epilepsie-Patienten der Fall. Darum wechselt man in diesen Fällen aus medizinischen Gründen nicht. Hingegen ist es möglich, von Beginn an ein Generikum zu verschreiben.

 

Ansonsten profitieren Patienten von einem günstigeren Preis. Besonders wenn das Patent abläuft und Generika frisch auf den Markt kommen, sind Preisunterschiede von 50% möglich. Mit der Zeit wird dieser Unterschied allerdings kleiner, weil auch der Anbieter des Originals den Preis senkt, sodass der Unterschied teils nur noch bei einigen Rappen liegt.

Hilfreich beraten, mündig entscheiden

Wenn Patienten mit einem Rezept in die Apotheke kommt, wird auch darauf geschaut, ob es sich um ein Original-Medikament handelt, das mit einem Generikum ersetzt werden kann. Wenn dies therapeutisch kein Risiko darstellt und auch die Einsparung markant ist, empfehlen wir die Abgabe eines Generikums.

Grundsätzlich darf der Patient frei entscheiden, ob er ein Original oder ein Generikum will. Allerdings muss er beim Original einen höheren Selbstbehalt zahlen (20% des Preises) statt 10% wie normalerweise. Ausserdem kann die Krankenkasse diesen Selbstbehalt auf 50% erhöhen, wenn sich der Patient für ein spezielles Versicherungsmodell entscheidet. 

Apotheker wissen bestens über Medikamente Bescheid. Patienten können sich darauf verlassen, dass die Empfehlung eines Generikums nur dann erfolgt, wenn dies keinen Nachteil für die Patienten hat. Falls Patienten dies möchten, können sie aber auch Rücksprache mit dem Arzt nehmen. 

 

Zu beachten ist auch, dass der Wechsel gut erklärt wird. Manchmal nehmen Patient das Original und das Generikum ein, weil ihnen nicht erklärt wurde, dass es sich um das gleiche Medikament handelt. 

Dies kann zu gefährlichen Überdosierungen führen. Um solche Probleme zu vermeiden, sollten Patienten ihre Medikamente regelmässig von der Apotheke kontrollieren lassen, z.B. mit einem Polymedikations-Check.

Spezialfall Biosimilars

Etwas speziell ist die Situation bei sogenannten Biologika. Hier handelt es sich um Wirkstoffe, die strukturell sehr viel grösser und schwerer sind als normale Wirkstoffe, die sich in wenigen Reaktionsschritten chemisch herstellen lassen. 

 

Stattdessen müssen sie in speziell angezüchteten Zellkulturen hergestellt werden, welche für die Produktion dieses Stoffes "programmiert" wurden, und aus denen der gewonnene Stoff dann aufgereinigt wird. Meist handelt es sich um Abwandlungen von Stoffen, die auch im menschlichen Körper produziert werden. Beispiel dafür sind Insuline, Heparine oder Antikörper-Medikamente. Man spricht bei solchen Medikamenten daher von Biologika oder Biotech-Medikamenten, da sie in lebenden Zellkulturen produziert werden. 

 

Auch hier ist eine chemische Nachahmung möglich. Nur kann hier der Wirkstoff nicht 1:1 nachgebaut werden. Stattdessen wird eine ähnliche Struktur "nachgezüchtet" und in Zellkulturen produziert, für welche nachgewiesen ist, dass sie den gleichen pharmakologischen Effekt bewirkt wie das Original. In diesem Fall spricht man daher von "Biosimilars", aus bio (Leben) und similar (ähnlich). 

 

Im Gegensatz zu Generika darf der Apotheker Biologika nicht einfach mit einem Biosimilar ersetzen. Hier muss der Arzt explizit den Namen des Biosimilars auf das Rezept schreiben. 

 

Wie bei Generika gibt es auch Krankenkassen mit Vergünstigungsmodellen, bei welchen der Paitent einwilligt bzw. gezwungen wird, Biosimilars verwenden zu müssen - auch wenn dies prinzipiell in der Macht des Arztes liegt. Krankenkassen stellen sich hier auf den Standpunkt, dass Patienten ihren Arzt über ihr Versicherungsmodell aufklären müssen. 

Fazit

 Generika sind eine sehr einfache Möglichkeit, um Gesundheitskosten zu reduzieren. Sie machen die Therapie mit Medikamenten günstiger, während die Qualität gleich bleibt. Generika sind aber nicht 100% gleich wie das Original, was zunächst für Verunsicherung sorgen kann. Das Apothekenteam kann aber Auskunft geben, wann der Austausch mit einem Generikum unproblematisch ist. 

 

Patienten sollten hier (wie auch bei anderen Medikamenten) unbedingt die Beratung in der Apotheke in Anspruch nehmen. Umstellungen bei den Medikamenten gehören zu den wichtigsten Fehlerquellen, die für Patienten gefährlich werden können. Das Medikationsdossier in der Apotheke und die Kontrolle durch den Apotheker schützt zuverlässig vor solchen Problemen. 

Autor:

Florian Sarkar, eidg. dipl. Apotheker

 

Quellen:

Henney JE; JAMA 1999 Dec 1;282(21):1995

 

Rishi J Desai et al.: Differences in rates of switchbacks after switching from branded to authorized generic and branded to generic drug products: cohort study. BMJ 2018;361:k1180